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Zhuangzi und die nicht-wertende Haltung in der systemischen Aufstellungsarbeit

  • Autorenbild: Claire Chen
    Claire Chen
  • 23. Juli
  • 3 Min. Lesezeit

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In meiner Aufstellungsarbeit begegne ich immer wieder einem tiefen Paradox:Je mehr wir versuchen, zu analysieren, wer Recht hat und wer Unrecht, desto schwerer wird echte Veränderung möglich.Aber sobald jemand bereit ist, seine Urteile loszulassen und still im größeren System zu stehen, beginnt die Erkenntnis zu fließen.

Das erinnert mich immer wieder an die Philosophie Zhuangzis:„Was du für richtig hältst, kann für jemand anderen falsch sein. Was dir selbstverständlich erscheint, mag für den anderen eine unausweichliche Entscheidung gewesen sein.“

Als Coach, der zwischen östlichen und westlichen Kulturen lebt und arbeitet, spüre ich deutlich:Die Weisheit Zhuangzis und die Haltung in der systemischen Aufstellung ergänzen sich auf wunderbare Weise – und so habe ich begonnen, Zhuangzi zu lesen und seine Gedanken für mich einzuordnen.


Der Kern der Nicht-Bewertung:

Nur wer das Richtig und Falsch loslässt, kann wirklich sehen

Ich begleitete einmal in einer Aufstellung eine Mutter, die in ihrer Familie als „kontrollierend“ abgestempelt wurde.In der Aufstellung brach sie in Tränen aus und sagte: Nach mehreren Fehlgeburten versuche ich diesmal einfach nur, mein Kind zu behalten.Für einen Moment war es still.Das war keine Kontrolle – das war tiefe Angst und ein instinktiver Überlebenswille.

In der Aufstellungsarbeit fragen wir nicht: „Wer hat Recht?“, sondern:„Wo steht diese Person im System? Und kann sie dort stabiler und kraftvoller stehen?“

Das entspricht auch einem zentralen Gedanken aus Zhuangzis Kapitel Qiwulun (齊物論):

「是亦彼也,彼亦是也;彼亦一是非,此亦一是非。」

Dieser Satz zeigt, dass alles miteinander verbunden und in Beziehung ist:

  • „Was dies ist, ist auch das, und was das ist, ist auch dies“ – es gibt kein isoliertes Dasein und keine absolute Trennung.

  • „Was du für richtig hältst, ist auch eine Sichtweise; was der andere für falsch hält, ist ebenfalls eine Sichtweise“ – es gibt keine objektiven Maßstäbe, nur Perspektiven.

Die systemische Aufstellung versucht nicht, Menschen in gut oder schlecht einzuteilen.Sie hilft, Verhalten aus dem Kontext und der Position im System heraus zu verstehen.Zhuangzi erinnert uns daran: „Dein Richtig kann das Falsch des anderen sein. Und was für dich selbstverständlich ist, war für ihn vielleicht die einzige Wahl.“

Er schrieb auch sinngemäß:„Je mehr du versuchst, Richtig und Falsch zu definieren, desto weiter entfernst du dich von der Ganzheit.“

Und genauso erlebe ich es auch in Aufstellungen:Je mehr wir uns in Richtig und Falsch verstricken, desto schwerer wird Veränderung.

Doch wenn nur eine Person bereit ist, Bewertungen loszulassen und einfach nur still im System steht – dann beginnt das Leben sich zu bewegen.

Im Ganzen die Beziehungsmuster erkennen

Zhuangzi schrieb auch:

「天地與我並生,萬物與我為一。」„Himmel und Erde entstehen mit mir gemeinsam, alle Wesen sind eins mit mir.“

Das ist nicht nur Philosophie – es ist eine Haltung zum Leben.Auch in der Aufstellungsarbeit geht es nicht nur um einzelne Ereignisse oder Symptome, sondern um die vielschichtigen Verbindungen innerhalb eines größeren Ganzen:

  • Ein emotionales Muster kann sich durch Generationen ziehen,

  • ein destruktives Verhalten dient vielleicht der Stabilisierung des Familiensystems,

  • eine belastete Beziehung wurzelt oft in einem tieferliegenden, nicht gesehenen Thema.

Wenn etwas gesehen wird, kann sich das Chaos in Bewegung verwandeln.Wird es jedoch übersehen, bleibt es – trotz aller Gespräche – im Kreislauf der Wiederholung gefangen.

Zhuangzis Weisheit und systemische Praxis:

Es geht nicht um das Finden von Schuld, sondern um das Erkennen der verborgenen Bedürfnisse.

Wahre Kraft liegt nicht im Wissen, wer Recht hat.Sondern in der Bereitschaft, still dazustehen und das Ganze zu betrachten.

Loslassen von Richtig und Falsch ist der Anfang von Liebe – und von Verbindung.



📚 Quellen & Inspiration:

  • Zhuangzi: Qiwulun, Dazongshi

  • Systemische Aufstellungsarbeit: Theorien & Praxis

  • Eigene Erfahrungen in interkulturellem Coaching & Aufstellungsarbeit

 
 
 

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